Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz

Julia Mirow

Julia Mirow ist Doktorandin im Kolleg und beschäftigt sich mit Anreizen im tarifdispositiven Gesetzesrecht zur Förderung der Tarifbindung und ihrer Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht.

Frau Mirow studierte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Universität Potsdam Rechtswissenschaften. Im Anschluss absolvierte sie das Rechtsreferendariat im Bezirk des Landgerichts Potsdam. Nach der Zweiten Juristischen Prüfung war Julia Mirow in zwei internationalen Kanzleien in Berlin als wissenschaftliche Mitarbeiterin in den Bereichen Arbeitsrecht und öffentliches Wirtschaftsrecht tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Arbeits- und Verfassungsrecht.

Julia Mirow befasst sich mit Anreizen zur Förderung der Tarifbindung von ArbeitgeberInnen im tarifdispositiven Gesetzesrecht. Gelebte Tarifautonomie erfordert eine breite Mitgliederbasis in Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Allerdings ist seit den 1990er Jahren in Deutschland ein Rückgang der Tarifbindung zu verzeichnen. Um der abnehmenden Tarifbindung auf ArbeitgeberInnenseite entgegenzuwirken, wird u.a. eine Ausweitung tarifdispositiver Vorschriften diskutiert. Im Rahmen der Arbeit erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Ansatz.

Tarifdispositives Gesetzesrecht ermöglicht die tarifvertragliche Unterschreitung grundsätzlich zwingender gesetzlicher Vorschriften. Es erfolgt eine Öffnung des Gesetzes, um die Vereinbarung flexibler Lösungen für bestimmte Wirtschaftszweige – auch zum Nachteil der ArbeitnehmerInnen – zu ermöglichen. Wird die Öffnung als Anreiz für Tarifbindung analysiert, besteht die Schwäche der geltenden Regelungen darin, dass die überwiegende Zahl der tarifdispositiven Vorschriften nicht exklusiv ausgestaltet ist, d.h. es ist eine Inbezugnahme der von zwingendem Gesetzesrecht zum Nachteil der ArbeitnehmerInnen abweichenden  tarifvertraglichen Regelungen durch Einzelarbeitsvertrag und/oder Betriebsvereinbarung möglich. In der Konsequenz können von der tarifvertraglich ausgehandelten Abweichung auch nichttarifgebundene ArbeitgeberInnen profitieren, obwohl sich diese dem System der Tarifautonomie entziehen. Macht das Gesetz aber die im Rahmen von Kollektivverhandlungen gefundenen Ergebnisse allen zugänglich, so fehlt aus rechtlicher Perspektive ein Anreiz zum Koalitionsbeitritt. Im Rahmen der Arbeit wird die nach aktueller Rechtslage nicht exklusive Ausgestaltung tarifdispositiven Gesetzesrechts kritisch beleuchtet. Es werden alternative Regelungskonzepte erarbeitet, wie tarifdispositive Vorschriften gestaltet sein müssten, um aus rechtlicher Perspektive tatsächlich einen Anreiz zur Förderung der Tarifbindung von ArbeitgeberInnen zu setzen. Im Mittelpunkt steht hierbei die Betrachtung exklusiver Tariföffnungsklauseln sowie – noch weitergehend – exklusiver Verbandsöffnungsklauseln. Beide Gestaltungsalternativen werden auf ihre Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht hin untersucht. Zentral geht es um die Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3 GG, Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG.